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Kanzlermehrheit für MerzDie Rente ist durch

Die Koalition kann aufatmen: Der Bundestag hat das Rentengesetz beschlossen. Kanzler Merz gelang dabei ein kleiner Coup.

Ein letztes Aufbäumen am Freitag: Pascal Reddig von der Jungen Union erklärt im Bundestag nochmal seine Ablehnung der Rentenpläne Foto: dpa
Cem-Odos Gueler

Aus Berlin

Cem-Odos Gueler

Kurz vor halb zwei ist es Bodo Ramelow, der es auf den Punkt bringt. „Ich denke wir haben die Steine, die von manchem Herzen geplumpst sind, gehört“, sagt der Politiker von der Linkspartei von seinem Rednerpult als Bundestags-Vizepräsident. Innerhalb der Koalition dürfte die Erleichterung am Freitagmittag tatsächlich groß sein: Das Rentenpaket passiert mit großer Mehrheit den Bundestag - und das obwohl Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Messlatte dafür zuletzt nochmal höher gesetzt hatte.

318 Abgeordnete aus den Reihen der schwarz-roten Koalition brachten das Gesetz durch das Parlament. Damit erhielt Merz die sogenannte Kanzlermehrheit von mindestens mindestens 316 Stimmen, die er am Donnerstagabend zur Zielmarke erklärt hatte. Hätten nur zwei weitere Abgeordnete aus Union und SPD gegen die Pläne gestimmt oder wären der Entscheidung fern geblieben, hätte Merz die sieben Monate alte Koalition bereits an den Rand des Abgrunds geführt.

Merz mit Biegen und Brechen zumindest ein kleiner Coup. Weil sich die Linken wie angekündigt bei der Abstimmung enthielten, wären für das Erreichen einer einfache Mehrheit deutlich weniger Stimmen nötig gewesen. Mit dem Erreichen der Kanzlermehrheit könnte Merz nun gestärkt aus der wochenlangen Hängepartie und des Streits mit den renitenten Abgeordneten der Jungen Union gehen.

„Das ist erst der Anfang“, sagte der Kanzler nach der Abstimmung. Nun gehe es darum, dass die von der Koalition ebenfalls auf den Weg gebrachte Reformkommission zur Rente an die Arbeit gehe. Die Regierung werde sich zügig mit weiterreichenden Änderungen befassen und eine tiefergehende Novellierung der Rentenpläne auf den Weg bringen. „Es wird eine nicht ganz einfache Diskussion für uns werden“, sagte Merz mit Blick auf die Krise der vergangenen Wochen.

Grüne und Linke werfen sich schlechte Arbeit vor

Denn am Ende stimmten immer noch sieben Abgeordnete aus der Union gegen das Rentengesetz, das sie dafür kritisierten, dass es zu viel koste und notwendige Reformen auf die lange Bank schiebe. „Der Gesetzesentwurf geht gegen meine fundamentalen Überzeugungen“, sagte der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Unionsfraktion während der Debatte und kündigte seine Nein-Stimme im Bundestag an. Merz, der auf der Regierungsbank nur wenige Schritte hinter ihm saß, durfte diese Haltung nicht überraschen.

Merz erschien fast eine Stunde zu spät zu der Debatte im Bundestag. Er überließ es CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die jungen Unionsabgeordneten ein letztes Mal auf Regierungslinie zu bekommen. Linnemann appellierte, dass es „ein starkes Mandat für dieses Paket brauche“. Denn dies sei gleichzeitig, „ein starkes Mandat für diese Koalition, ein starkes Mandat für die Bundesregierung und ein starkes Mandat für den Bundeskanzler“.

Dabei war schon vorher klar, dass das Paket wegen der Schützenhilfe aus der Linkspartei auf den Bundestag sicher passieren würde – doch in der Union wollte man sich nicht von deren Gunsten abhängig machen. Grüne und Linke warfen sich im Plenum deshalb gegenseitig schlechte Oppositionsarbeit vor.

Die Linken hätten „Opposition versprochen“, seien aber als „Mehrheitsbeschaffer:innen von Merz geendet“, kritisierte Grünen-Vize Andreas Audretsch. Das Schlimmste daran sei die „Ambitionslosigkeit“ der Linken. Man könne im Bundestag ja kooperativ sein, aber: „Dann holt man etwas für die Menschen in diesem Land heraus.“ Teile seiner restlichen Rede gingen im Lärm unter – Applaus der eigenen Leute, Protestrufe aus der Linksfraktion.

Die Antwort auf Audretsch lieferte darauf Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Es gehe in der Abstimmung um das Leben von Millionen Rentnerinnen und Rentner. „Sie sagen wirklich, dass es richtig wäre, diese Menschen über die Klippe springen zu lassen? Dass die Grünen der Reform der Schuldenbremse mit mehr Mitteln fürs Militär zugestimmt hätten, jetzt aber eine rote Linie zögen, sagte „alles über die Grünen, was man über die Grünen wissen muss“.

Für den Unionsfraktionschef Jens Spahn, der sich lange vorwerfen lassen musste, keine Mehrheiten in seinen eigenen Reihen herstellen zu können, war es am eine „ein guter Tag“. Er sagte, die Koalition debattiere, aber sie entscheide auch. Bis Mitte der Woche war unklar, wie viele der 18 Abgeordneten der jungen Gruppe in der Union gegen das Gesetz stimmen würden.

Mit dem Vorhaben beschloss der Bundestag nicht nur die Festsetzung des Rentenniveaus und der Mütterrente, sondern auch zur Aktivrente, die freiwilliges längeres Arbeiten mit steuerlichen Anreizen fördern soll. Insgesamt gab es neben den 318 Ja-Stimmen 224 Nein-Voten. 53 Abgeordnete enthielten sich.

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1 Kommentar

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  • ... und zehntausende gut verdienende Mitglieder des Boomer-Clubs werden von ihren Arbeitgebern gerade in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Milliarden Euro an Kaufkraft gehen verloren, die von einer Rente, die nicht einmal der Hälfte der vorherigen Einkommen entspricht, nicht kompensiert werden können.